Meine Lesereise nach Buchhaim, der Stadt der Träumenden Bücher: Rezension, Leseerlebnis- und Reisebericht

 



Einführung

"Die Neugier ist die mächtigste Antriebskraft im Universum, weil sie die beiden größten Bremskräfte im Universum überwinden kann: die Vernunft und die Angst."
- Walter Moers: Die Stadt der Träumenden Bücher -

Hier, mit diesem Zitat, meine liebe Leser*innen (Freunde), fängt meine Geschichte an. Noch im Herbst des Jahres 2022 habe ich im Tourismuskurs an der Uni ein Fachbuch  gelesen, dessen Autor im Vorwort das obige Zitat benutzte. In demjenigen Moment wusste ich sofort, dass ich den Roman, die Originalquelle des Zitates unbedingt lesen muss. "Was für ein Werk kann es sein, solches, von dem ein so wunderbares Zitat stammt?", diese Frage stürmte ständig in meinem Kopf.
Und tatsächlich: meine Antriebskraft, die dazu beigetragen hat, dass ich den Roman endlich lese, war genau die Neugier, wie auch im Buch selbst geschrieben wurde. Gedacht, entschieden: ich ließ mir das Buch zu Weihnachten schenken. Als ich es endlich in meinen Händen hielt, war ich überglücklich. Nun war es soweit: ich begab mich zusammen mit dem Protagonisten des Romans  auf eine Reise nach der fiktiven Stadt von Buchhaim, welche als Stadt der Träumenden Bücher bekannt ist und in der sich - zu meinem größten Enthusiasmus -  alles um Literatur dreht. 

Klappentext des Romans

Als der Pate des jungen Dichters Hildegunst von Mythenmetz stirbt, hinterlässt er seinem Schützling nur wenig mehr als ein Manuskript. Dieses aber ist so makellos, dass Mythenmetz sich gezwungen sieht, dem Geheimnis seiner Herkunft nachzugehen. Die Spur führt nach Buchhaim, der Stadt der Träumenden Bücher. Als der Held sie betritt, ist es, als würde er die Tür zu einer gigantischen Buchhandlung aufreißen. Er riecht den Anflug von Säure, der an den Duft von Zitronenbäumen erinnert, das anregende Aroma von altem Leder und das scharfe, intelligente Parfüm von Druckerschwärze. Einmal in den Klauen dieser buchverrückten Stadt, wird Mythenmetz immer tiefer hineingesogen in ihre labyrinthische Welt, in der Lesen noch eine wirkliche Gefahr ist, in der rücksichtslose Bücherjäger nach bibliophilen Schätzen gieren, Buchlinge ihren Schabernack treiben und der mysteriöse Schattenkönig herrscht.

(Quelle: Amazon)


Über den Autor

Walter Moers, 1957 in Mönchengladbach geboren, ist der Erfinder des »Käpt'n Blaubär« und hatte auch große Erfolge mit den Büchern um »Das kleine Arschloch« und der Comic-Figur »Adolf«. 1999 stürmte der Roman »Die 13 1/2 Leben des Käpt'n Blaubär« die Bestsellerlisten. Dem folgten inzwischen mehrere sehr erfolgreiche Romane nach, die ebenfalls auf dem phantastischen Kontinent Zamonien spielen.

(Quelle: Amazon)


Meine Eindrücke

Diese Lektüre ist die einzigartigste und lukrativste, die ich jemals in meinem bisherigen bibliophilen Leben gelesen habe... und sogar mitreißender als andere meiner Lektüre, von denen ich ab und zu auf meinem Insta oder Blog erzählte. Ich reagierte dazu ähnlich, wie die Charaktere auf das darin vorkommende Manuskript. Es gab witzige Stellen, wo ich herzhaft laut gelacht habe und die Sätze bzw. Dialoge gleich  mir selbst vorgelesen habe, es gab Stellen, die mich zum Nachdenken, zum Seufzen und fast zum Weinen brachten... bei anderen wollte ich Hildegunst, den Protagonisten für sein - meiner Meinung nach - bisserl naives Verhalten (zumindest am Anfang seines buchhaimischen Aufenthalts) anschreien (z.B. "Hey!!! Tu das nicht!!! Geh da nicht rein!!!", oder: "Vertraue diesen deppaten Arschlöchern nicht!!!", usw.), bei weiteren Stellen machte ich mir echt Sorgen um sein Leben, wenn er sich schon  wieder in Schwierigkeiten gebracht hat... also, kurz gesagt: eine echte Achterbahnfahrt war diese Reise.

Na ja, auf der ersten Seite gab es schon eine Warnung ("Nur wer wirklich bereit ist, für die Lektüre dieses Buches derartige Risiken in Kauf zu nehmen, wer bereit ist, sein Leben aufs Spiel zu setzen, um an meiner Geschichte teilzuhaben, der sollte mir zum nächsten Absatz folgen. Allen anderen gratuliere ich zu ihrer feigen, aber gesunden Entscheidung, zurückzubleiben. Macht's gut, ihr Memmen! Ich wünsche euch ein langes und sterbenslangweiliges Dasein und winke euch mit diesem Satz Adieu!").
Doch ich halte mich für keine Mimose, sondern für eine tapfere, lesesüchtige junge (Buchling-)Frau und die Tatsache, dass es sich hier um Abenteuer und Bücher (und noch vieles mehr!) handelt, hat meine Neugier noch weiter gesteigert, deshalb habe ich mich dazu entschieden, weiterzulesen. Trotz all den rasanten und manchmal richtig haarsträubenden Geschehnissen wuchs meine Neugier vom Buchstabe zu Buchstabe, vom Wort zu Wort, vom Satz zu Satz, von Zeile zu Zeile, vom Absatz zu Absatz, von Seite zu Seite und vom Kapitel zu Kapitel immer größer, sodass es mir wirklich schwierig war, das Buch wegzulegen. Als hätte es mich gleich verschlungen...  😉

Ich muss auch sagen, das war genau jene Lektüre, mit der ich meine bisher längste Lesezeit, nämlich etwa 10 oder 12 Tage verbrachte (normalerweise lese ich ein Buch in 1-3 Tagen schon fertig) und die ich immer noch sozusagen verdauen muss (eher im positiven Sinn 😊).

Für mich war dieses das erste (und zwar sicherlich nicht das letzte!) Zamonien-Buch und zugleich das erste Moers-Buch, das ich jemals gelesen habe. Als echte Literatursüchtige war mir eine wahre Ehre, auch Walter Moers kennenzulernen (obwohl er sich in der Öffentlichkeit  so gut wie nie zeigt und sehr geheimnisvoll ist...) und es machte mir ungeheuer viel Spaß, den von ihm erfundenen Kontinent, Zamonien, zu entdecken.

Im Buch kommen die erstaunlichste und verrückteste fantastische Wesen (z.B. Lindwürmer, Schrecksen, Bücherjäger, Eydeen und meine absolute Lieblingsspezie, die Buchlinge), Orte (Schwarzmanngasse, Katakomben von Buchhaim, Lederne Grotte, Schloss Schattenhall) und Geschehnisse (Schlacht mit Harpyren/Bücherjägern, Hypnose, Treffen mit dem Schattenkönig) vor. Die Tatsache, dass Namen von einigen im Roman aufgezählten zamonischen Autoren eigentlich Anagrammen sind, welche den Namen realen Autoren aus unserer Welt entsprechen (z.B. Ojahnn Golgo van Fontheweg = Johann Wolfgang von Goethe), steigert die Genialität von Moers' Werk um ein weiteres Niveau.

Als Fortsetzung möchte ich - hoffentlich gelingt es mir spoilerfrei - einige meiner Lieblingsstellen präsentieren. Meine allererste, absolute Lieblingsstelle ist diejenige, wo der Protagonist die Buchlinge trifft, welche ihn in ihrem Volk aufnehmen, akzeptieren und sich mit ihm anfreunden, als wäre er tatsächlich einer von ihnen. Ich habe fast vergessen zu erwähnen, dass im Roman mehrmals das sogenannte Orm vorkommt (hier zur Erklärung: https://zamonien.fandom.com/de/wiki/Orm) und ich liebe einfach jede Passage, in der es sich um diesen urleiwanden Ausdruck handelt, aber am besondersten gefällt mir die Zeremonie des Ormens der Buchlinge und der Moment, in dem der Protagonist seinen eigenen Orm erwerbt.  Ich fand auch den Aufenthalt im Schloss Schattenhall sehr interessant, vor allem in der Bibliothek des Orms - eine Bibliothek, die nur solche Bücher beinhaltet, in denen sich das Orm des Autors stark spüren lässt. Gleich möchte ich dazu eine Passage zitieren, in der unser Protagonist über seine Gefühle im Zusammenhang mit dieser besonderen Bibliothek berichtet: Wenn es tatsächlich das Orm war, das diese Bücher so besonders machte, dann war ich süchtig nach diesem Stoff, süchtig nach jeder von ihm gesättigten Zeile. Essen? Nebensache. Waschen? Zeitverschwendung. Nur Lesen, Lesen, Lesen war wichtig."

Tja, um ganz ganz ehrlich zu sein, ich muss gestehen, dass mir das Lesen von diesem Roman haargenau identische Gefühle vermittelt hat. Sogar, ich konnte sehr gut das Orm im Moers' Werk fühlen, aber das ist ja meiner Meinung nach eben kein Wunder bei so einem, der alle drei Buchstaben dieses winzigen und trotzdem so enorm (versteht ihr ja, enORM) bedeutenden Wortes auch in seinem Nachnamen trägt... Ob ich die einzige bin, die das bemerkt hat? Der Kuckuck weiß... oder eben die Spinxxxxe...

Es gibt also eine Menge Stellen in diesem Buch, die ich in vollen Zügen genossen habe. Aber auch zwei Orte kommen vor, die ich eher unheimlich fand und lieber verändert hätte, diese waren nämlich Unhaim und der Friedhof der vergessenen Dichter - den ersten hätte ich von all dem Wasweißichwas, das sich dort befindet, gereinigt und in eine gemütliche Leseecke namens Lesehaim verwandelt (all die sich dort befindenden Sachen hätte ich zum Sanatorium der Buchlinge zur Reparierung verschickt), während aus dem zweiten Ort hätte ich ein Literaturhaus geschaffen, wo die "vergessene Dichter" alle zusammen, unter besseren Verhältnissen wohnen, sich unterstützen und die Möglichkeit bekommen, wieder erfolgreich zu werden.  Als Weiteres hätte ich Kontakt zwischen Buchhaim und ihren Katakomben geschaffen und die Bücherjäger bzw. andere aggressive Spezien dazu gebracht, Frieden zu schließen. Letztens, ich hätte Phistomefel Smeik (gemeiner Antiquar) und Claudio Harfenstock (Literaturagent) für ihre Tat folgenderweise bestraft: in Smeiks Labor hätte ich im Rahmen eines buchimistischen Experiments den beiden das Gehirn herausgenommen, um daraus all das Gemeine herauszureißen, was  darin steckt, dann hätte ich es nur mit positivem Stoff erfüllt und zurückgelegt. Das gleiche hätte ich mit ihren Herzen (fragwürdig ist es noch, ob sie welche haben?) gemacht. Und die Trompaunenmusik hätte ich auf jeden Fall nur zu positiven Zwecken verwendet (z.B. um jemandem kompletten Kopfkino über die Inspiration für ein neues literarisches Werk zu vermitteln).
Tja, um diese letzten Gedanken zu verstehen muss man ja tatsächlich das Buch gelesen haben. 😀

Was habe ich aus der Lektüre gelernt und mitgenommen?

Ziemlich viel. Ich habe vor,  diese Frage zuerst mit einem Zitat aus dem Moersscher Werk zu beantworten und dann alles ausführlicher zu erklären. Also, anbei das Zitat, das meine Antwort zur obigen Frage am besten darstellt: "Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir. Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde. "
Denn, diese Reise, an der ich dank der lukrativen Schreibweise des Autors teilnehmen durfte, ähnelt genauso dem Leben selbst. Dem Leben, das manchmal so lachenerzeugend und witzig sein kann, doch manchmal fast zu Tränen rührt... dem Leben, in dem manchmal nötig ist, von der Oberfläche bis in die Tiefe hinab zu steigen, um nach sich selbst, sozusagen nach dem eigenen Orm zu suchen... dem Leben, das in mancher Situationen gleich bedroht ist und gerettet bzw. geschützt werden muss... dem Leben, in dem Erfahrung und Abenteuer uns weiser und reicher machen - ich meine natürlich reich an Erlebnissen und Impulsen, woraus eben die Grundlage für einen tollen und mitreißenden Roman entstehen könnte... aber vor allem, dem Leben, in dem  man niemals die eigene Tapferkeit, Schlagfertigkeit und den eigenen Optimismus verlieren sollte, egal was passiert.

Weitere Lektionen, die ich aus diesem Buch lernte:

- nicht derjenige, den alle hassen, verfluchen und verbannen ist immer der sogenannte gemeine Kerl: manchmal ist er eben derjenige, der von allen beliebt zu sein scheint und am meisten beeinflussend ist
- das Unbekannte mag wohl erschreckend und verwirrend erscheinen, vielleicht an einigen Stellen ist es tatsächlich so, aber es gibt auch schöne Teile davon
- aufpassen, wem man vertraut... denn man könnte sich bald eben in seriöser Gefahr befinden, wenn man es mit den falschen Leuten/Daseinsformen macht...
- nicht alle sind für Hochwertiges geöffnet, die meisten bevorzugen ja eher Mittelmäßiges... aber man kann immer einen kleinen Schritt machen um diesen Unterschied ein wenig zu reduzieren, nämlich muss man die Augen offen halten, damit die passende Gesellschaft/das passende Publikum gefunden wird
- Konsum ist nicht alles
- es ist immer möglich, einen Ausweg zu finden, vielleicht nicht genau das, was wir uns zuerst vorgestellt haben, aber etwas ist immer versuchbar/machbar, um vorteilhaft auskommen zu können
- nicht alles is so, wie es zum ersten Augenblick scheinen mag
- das Leben ist in vielen Fällen tatsächlich einem Labyrinth gleich, wo alles, wirklich alles passieren, erlebt und begegnet werden kann.

Fazit

Zuerst möchte ich mich bei diejenigen bedanken, die diese Mischung aus Reisebericht/Leseerlebnisbericht und Rezension bis zu diesem Punkt gelesen haben. Ihr seid die coolsten! Ich habe vor, damit abzuschließen, dass ich euch dieses geniale Werk vom wärmsten Herzen empfehle!😉Ihr werdet sehen, es lohnt sich und ihr werdet die Entscheidung nicht bedauern. Dieses Buch ist so lesenswert, dass es weit oben auf der Goldenen Liste (wieder ein Bezug zur Handlung des Romans) steht. Und falls es euch zu verwirrend werden sollte oder eben so viele Gedanken und Impulse vermittelt, dass ihr gerne jemanden zum Plaudern braucht, stehe ich jederzeit zur Verfügung. Ach, viel Glück wünsche ich bei der Entzifferung der Anagrammen (es gibt ganz viele 😅)!

Ich hätte noch so gerne weiter über dieses Meisterwerk erzählt, aber jetzt spüre ich was... oh ja, genau, das ist es! Das Orm! Ich wurde gerade in diesem Moment von ihm völlig durchströmt (schon zum zigtausendsten Mal in meinem Leben, um ganz aufrichtig zu sein), also ihr wisst, was das bedeutet... Genau, ich muss ein neues Word-Dokument aufklappen und anfangen, mein nächstes Werk zu schreiben! 😊
Viel Spaß wünsche ich euch allen beim Lesen von Stadt der Träumenden Bücher, seid ihr herzlichst vielmals gegrüßt, bleibt gesund und bis zur nächsten Rezension! Macht's gut!

Herzlichst: Lettie Lindtzer
P.S.: In Zamonien würde ich wohl Liette Zertlind heißen... 😂😂😂









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