Rückkehr nach Buchhaim - Zweite Lesereise - Rezension über den W. Moers-Roman "Das Labyrinth der Träumenden Bücher"

 


Einführung

Hier, meine liebe Freunde und Leser, fängt die Geschichte wieder an. Vor einem halben Jahr berichtete ich über eine fantastische Lesereise nach Buchhaim (https://lindtzeratur.blogspot.com/2023/01/meine-lesereise-nach-buchhaim-der-stadt.html), unternommen gemeinsam mit dem Schriftsteller-Lindwurm Hildegunst von Mythenmetz. Nämlich habe ich damals den Roman Die Stadt der Träumenden Bücher von Walter Moers gelesen und er war total mitreißend, er vermittelte mir das Gefühl, ebenfalls Teil der Geschichte zu sein. Und jetzt, im Juli habe ich den zweiten Band der Buchhaim-Trilogie, nämlich Das Labyrinth der Träumenden Bücher in der Goethe-Bibliothek gefunden und wusste sofort, dass Buchhaim wieder ein Besuch wert ist. Gesagt getan, ich habe mich also ganz schön gemütlich hingegeben...


Klappentext

Hildegunst von Mythenmetz, der größte Schriftsteller Zamoniens, suhlt sich auf der Lindwurmfeste in seinem Erfolg. Da erreicht ihn ein mysteriöses Schreiben, das ihn verlockt, nach Buchhaim, der "Stadt der Träumenden Bücher" zurückzukehren. Dort trifft er auf eine neuerbaute Stadt, die vor Leben rund um das Buch nur so vibriert. Und er begegnet alten Bekannten, aber auch neuen Phänomenen und Wundern der Stadt: Librinauten und dem Biblionismus, Qualmoiren, und dem Buchwein sowie vor allem obskuren Puppetisten, dem faszinierenden Puppaecircus Maximus und dem geheimnisvollen Maestro Corodiak. 


Eindrücke

Hm... wo soll ich eigentlich anfangen? Als ich nur den ersten Teil kannte, fand ich ihn damals die besonderste Lektüre meines bisherigen bibliophilen Lebens... jetzt, da ich den zweiten Teil ebenfalls kenne, muss ich absolut zugeben, dass dieser noch interessanter, genialer und mitreißender ist und verschlingt den lieben Leser hinein noch viel mehr. Mittlerweile, während des Lesens wurde mir urplötzlich etwas ganz klar: die Bücher von Walter Moers, mit ihrer Genialität, sind quasi Heilmittel für diejenigen, die gerade an Orm-Mangel leiden. Wirklich, probiert es nur aus. Es sollte eine sogenannte Orm-Apotheke (eventuell: Biblio-Apotheke?) eröffnet werden, in der die Moers-Bücher verfügbar sind. Zurück zur Geschichte... die Ereignisse geschehen 200 Jahre nach der Handlung des ersten Teils (das ist eine der tollsten Eigenschaften von Büchern: mithilfe denen ist es auch möglich, Zeitreisen zu unternehmen! Hach, ich liebe Bücher, habe ich schon gesagt?). Buchhaim, die fast von einem Feuersturm zerstört wurde (Hildegunst und ich waren die Augenzeugen, aber um mehr zu wissen, solltet ihr gleichfalls nach Buchhaim kommen und dort alles herausfinden 😉), ist jetzt neuerbaut und moderner. Frieden herrscht, vom gemeinen Antiquar Phistomefel Smeik gibt es keine Spur mehr, zum Glück, Bücherjäger heißen jetzt Librinauten und folgen viel positiveren Methoden (genau diejenigen von Colophonius Regenschein). Und, was ich am interessantesten und überraschendsten finde: der Friedhof der Vergessenen Dichter, den ich schon beim ersten Lesen des Wortes vernichten wollte (und den Plan hatte, stattdessen etwas Besseres zu errichten), existiert nicht mehr. Als ob... als hätte ich es prophezeit... Moment mal, war das eine Schrecksenprophezeiung? Ich identifiziere mich doch als Buchling... es kann wohl sein, dass ich ein Mischling bin, sowohl Schreckse als auch Buchling... ein Buch-Schrecksling. Wow, wie cool klingt das denn! Inzwischen traf ich mit Hildegunst alte Bekannte, wie z.B. Hachmed Ben Kibitzer (Eydeet), Inazea Anazazi (Schreckse) und Hildegunsts Schriftstellerkollegen Ovidios von Versschleifer (dem es gelungen ist, erfolgreich zu werden und aus dem Friedhof der Vergessenen Dichter herauszukommen). Wir probierten im Qualmoir (boah, Rauch überall, Hildegunst, wo zum Henker hast du mich hingeschleppt? 😃) den berühmten Buchwein, davon wäre es aber besser nichts mehr zu erwähnen. Ich denke, jeder sollte seine Wirkung individuell bewerten. Das Erstaunlichste war aber, ich soll sagen, der Besuch im Puppaecircus Maximus, wo eine Puppentheater-Aufführung von Hildegunsts erstes Werk (die Handlung gleicht derjenigen vom Roman Die Stadt der Träumenden Bücher) gezeigt wurde. Genau wie Hildegunst, habe ich dabei auch die damaligen Ereignisse im Flashback wieder erlebt. Manche waren überwältigend, schockierend, manche ganz beruhigend (z.B. Lederne Grotte), manche brachten zum Weinen, andere zum Lachen... genau wie das Leben selbst...

Ich fand Hildegunsts Interesse an das Einstudieren des Puppetismus und seine Recherche diesbezüglich sehr akkurat, an manchen Stellen sogar witzig und ich lachte herzhaft darüber. Mir hat es auch gut gefallen, dass wir diesmal auch die Oberfläche von Buchhaim ein bisserl ausführlicher entdecken dürften, wozu wir damals nicht wirklich die Gelegenheit hatten. Am besten gefiel mir das Viertel Slengvort, wo fast nur Personal des Puppentheaters wohnt und das wie eine Stadt in der Stadt ist. Zur Erklärung des Namens zitiere ich jetzt Inazeas Worte: 


"Es gibt eine Fachsprache der Puppetisten, die nur mündlich übertragen wird. Ein Kauderwelsch aus verschiedenen Sprachen und Dialekten - noch völlig unerforscht. Diese Sprache nennen sie Sleng. (...) Ein ganz wichtiger Begriff dieser Sprache ist slengvo. Slengvo, das ist der Zustand, wenn eine Puppe lebendig ist. (...) Irgendwann bürgerte sich der Name Slengvort für dieses Viertel ein. Könnte man frei übersetzen mit der Ort, an dem die Puppen lebendig werden. Oder: Geburtsort der Puppen.(Inazea Anazazi, S. 203-204)


Mittlerweile, während meiner amüsanten  Buchhaim-Reise überlegte ich unfreiwillig auch davon, wie eine Puppentheater-Aufführung aus meinen Werken aussehen würde. Ja, da musste ich ganz viel lachen. Und eigentlich sehr interessant, dass ich im echten Leben ein Theaterworkshop besucht habe, Bücher schreibe und hier in Buchhaim gibt es jetzt sowohl Theater als auch Bücher. Und noch toller, bei meiner zweiten Buchhaim-Reise ist es auch Sommer in diesem wundervollen Roman, der mich für einige Zeit verschlungen hat. Am Ende mussten Hildegunst und ich jedoch noch einmal in die Katakomben hinab steigen. Aber hey, kein Problem, diesmal haben wir auch eine Karte. Bestimmt überleben wir es wieder... Übrigens, der große Maestro Corodiak hat uns dahin gebracht, im Rahmen einer Aufführung des Unsichtbaren Theaters... Apropos, Corodiak gehört zur Familie Smeik... Hildegunst, mein lieber Kollege, hast du die Lektion gar nicht gelernt? Niemals sollte man einem Smeik vertrauen, niemals... Okay. Irgendwie geht ja dann die Geschichte auch weiter, hoffentlich. Ich musste leider zurück in die reale Welt, habe aber Liette Zertlind, mein zamonisches Alterego (jetzt herausgefunden: Buchling und Schreckse zugleich!) dort mit Hildegunst gelassen. Ich hoffe, dass es bald eine dritte Buchhaim-Reise erfolgen kann. Bis dahin muss ich Einiges noch erledigen. Zum Beispiel etwas schreiben, da mir diese Reise, ebenfalls wie die erste, sehr viel Orm (kreative Inspirationskraft) gegeben hat. Moers' Genialität spiegelt sich auch in diesem Roman wieder, hier gab es auch die bereits erwähnten Anagrammen (wer mag wohl z.B. Jonas Nussrath sein?). Immer wenn es mir gelang, ein Anagramm zu entschlüsseln, rief ich voller Enthusiasmus auf. Die Geschichte MUSS einfach weitergehen. PUNKT. Soviel ich weiß, der Titel wird Das Schloss der Träumenden Bücher sein... wenn die nächste Folge dieser wundervollen, intriganten und spannenden Geschichte nicht veröffentlicht wird, sehr geehrter Herr W. des Ormes (schon wieder ein Anagramm), werden Sie im Schloss Schattenhall, genauer gesagt in der Bibliothek vom Orm aufwachen, vielleicht hilft das ein bisschen. Ich hoffe also, dass ich bald nach Buchhaim zurückkehren darf... Wer hätte Lust, mit zu kommen? 😉


Extra: meine Lieblingspassagen aus dem Buch


1. Inazea: "Gehört alles zur Inszenierung."

Hildegunst: "Ach ja? Und mein Herzinfarkt? Gehört der auch zur Inszenierung?"

(S. 274)


2. "Es roch also nach Buchlingen im Circus Maximus, kein Zweifel! Und nur wenige Augenblicke später füllten diese legendären einäugigen Bewohner der Katakomben in hellen Scharen die Bühne. Oder besser: die Bühnen. Denn man hatte sämtliche Vorhänge geöffnet, um den neuen Schauplatz, die Lederne Grotte und ihre nähere Umgebung gebührend darzustellen. Die unterirdische Heimat der Buchlinge! Endlich!"   

(S. 269)


3. "Unterwasserpuppetismus -  eigentlich ein ganzes Kapitel für sich! Ich notiere dies hier in einer Kneipe kurz nach dem Besuch (zusammen mit Inazea) einer Aufführung des AQUANAUTISCHEN AMPHITHEATERS  in der Zwiebelfischgasse. Unglaublich! Der runde Wassertank befindet sich in der Mitte eines überdachten Amphitheaters, von dessen obersten Sitzreihen (welche die besten sind) man eine Draufsicht auf das Ganze hat. Er ist der größte Theatertank Zamoniens, wie mich die Schreckse belehrte. Ein Wal hätte in diesem Aquarium Platz gehabt! Selbst der Bühnentank des Florinthischen Opernhauses, den ich mit eigenen Augen gesehen hatte, ist nur halb so groß. Der allerdings von professionellen Ballett-Schwimmern genutzt wird - und hier sind es Puppen. Puppen unter Wasser! Was für ein bezaubernder Irrsinn! Denn was haben Puppen, zumal welche mit äußerst empfindlichen Mechaniken, die vorwiegend aus Holz und Metall bestehen, also aus Materialien, die leicht rosten oder aufquellen, in einem zerstörerischen Element wie Wasser verloren? Und doch machten die Puppen, die ich im AQUANAUTISCHEN THEATER sah, den Eindruck, als sei das Wasser ihr eigentliches Element! Eigentlich bedürfen sie eines speziellen technischen Begriffes! Tauchpuppen? Schwimmonetten? (Unbedingt Brief an die Redaktion des ZAMONISCHEN WÖRTERBUCHS schreiben!)"

(S. 314-315)


4. "Faustregel: Es ist einfach, ÜBER Zwerge zu lachen, aber es ist schwierig, MIT Zwergen zu lachen."

(S. 325)


5. "Eine besondere Erwähnung verdient der Tee, der dort ausgeschenkt wird, sowie die Kekse, die dazu gereicht werden. Beide schmecken zwar eher streng und harzig, besitzen dafür aber Qualitäten, die sich erst nach einiger Zeit entfalten. Man sollte den Konsum aber auf EINE Tasse Tee und EINEN Keks beschränken, wenn man sich nicht wie ich die ganze Nacht in seinem Hotelbett in Lachkrämpfen wälzen will - und zwar über einen blöden Witz, den ich am nächsten Morgen wieder vergessen hatte. "

(S. 331-332)   😂😂😂


6. "<< Der Bibliomane >>, fuhr er fort << verkörpert in Buchhaim eine der am liebsten gesehenen Kategorien des Biblionismus. Er ist von dem Wunsch beseelt, möglichst viele Bücher zu erwerben und mit nach Hause zu nehmen. Ein durchschnittlicher Büchersammler also. Sofern er dies im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften tut und die Bücher nicht klaut, ist der Bibliomane der willkommenste Gast der Stadt - wir alle leben von ihm. Die Gruppe der Bibliomane ist eine sehr große. >>"

(S. 111)

Oida, das klingt für mich wie eine Verehrung! 😊


7. " Ich hatte mich daran gehalten, doch nun war es an der Zeit, seine Botschaft zu entschlüsseln - wenn es dann eine war. Ich wühlte wieder in meinem Umhang. Und dann, oh meine geliebten Brüder und Schwestern im Geiste, als ich den Zettel endlich gefunden hatte, ergriff mich plötzlich wieder die allergrößte Unruhe. Mit zitternden Klauen hielt ich das Kärtchen über die tanzende Kerzenflamme, bis darauf die blassgelbe Geheimschrift erschien. Auf der Einladung stand nur ein einziger Satz. Er lautete: Hier fängt die Geschichte an. "

(S. 427)



 

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