Spiegelseelen, Der Wandernde, Helena-Trilogie... Interview mit der Autorin Dora Papp

Die ursprüngliche ungarische Version ist im Sommer 2020 im Online-Magazin Media Iuris erschienen.

Als Bücherwurm und praktizierende Schriftstellerin ist es kein Wunder, dass die Welt von Geschichten und Romanen mich schon immer faszinierte. Neben meinen fremdsprachigen Lektüren habe ich natürlich auch ungarische Lieblingslektüre, unter Anderem die Reihe Spiegelseelen (Ung.: Tükörlelkek) und die Helena-Trilogie, aber ich hoffe, dass ich in der näheren Zukunft auch das Buch Der Wandernde (Ung.: Bolyongó) lesen werde. Zu meinem großen Glück habe ich es geschafft, Dora Papp, die Autorin dieser Bücher zu erreichen und sie über ihre Werke und ihre zukünftige schriftstellerische Pläne zu fragen.



Vielen Dank, dass du dir Zeit für dieses Gespräch genommen hast. Was hat dich dazu inspiriert, die Helena-Trilogie zu schreiben?

Dora Papp: Sehr gerne, ich danke dir fürs Kontaktieren und dafür, dass du an mich gedacht hast. Die originelle Version vom ersten Teil, Lichtbruch (Ung.: Fénytörés) ist entstanden, als ich 17 Jahre alt war. Schon damals interessierte ich mich fürs Urteilen und Gleichgewicht der männlichen und weiblichen Rollen, für die Hexenverfolgungen, für die Kraft der Natur. Diese Basis habe ich verarbeitet und die ursprüngliche Vorstellung verstärkte sich, ich habe das Gefühl, dass es mir gelang, diese Themen viel gründlicher herumzugehen. Das Grundkonzept ist schon immer gewesen, die zerstörende, bemerkenswerte Kraft der Natur parallel mit der weiblichen Urkraft darzustellen. Im Mittelpunkt der Geschichte steht die 18-jährige Helena, die unwillkürlich zur Mörderin wird, weil sie sich über die eigene übernatürliche Kraft und Fähigkeiten nicht im klaren ist. Die Idee der ganzen Geschichte begann aus der Umweltverschmutzung und dem Klimawandel.


Gibt es solche von deinen Hauptfiguren, für welche die Grundlage existierende Leute waren?

Dora Papp: Meiner Meinung nach nimmt jede(r) Schriftsteller(in) Ideen von der Wirklichkeit, von ihrer Umgebung, das kann nicht vermieden werden. Ausmalen, idealisieren, verändern steht uns sozusagen frei, so entsteht Fiktion aus der Realität, zumindest für mich. Es gibt solchen Charakter, den ich aus drei-vier Leuten verknetet habe, aber es gibt auch solchen, der völlig von mir zum Leben erweckt wurde. Es wird sowieso Ähnlichkeiten in kleinen Eigenschaften, Gewohnheiten und im Äußeren zu jemandem geben. Aber eine Person vollständig zu überheben, indem ich über sie in einem Roman schreibe... das wäre ziemlich waghalsig gewesen, sowas habe ich bisher noch nie versucht. 


Planst du die Reihe Spiegelseelen fortzusetzen?

Dora Papp: Zwar ist es eine wiederkehrende Frage, wann die nächste Folge meiner  in Ungarn stattfindenden, zweiteiligen Jugendgeschichte endlich kommt, aber ich muss meine Leser entzaubern: Spiegelseelen ist auf diese Weise rund und ganz. Ich habe sie für zweiteilig geplant und damit alles erzählt, was ich erzählen wollte. Im Grunde geht es darin um die freundliche Annäherung von zwei total unterschiedlichen Mädchen zu einander. Wenn ich es weiterentwickelt hätte und darüber schreiben würde, was mit ihnen x Jahre später passiert, müsste ich es von Anfang an mit einem anderen Titel, Konzept und andere Themen umgehend schreiben. Ich schließe diese Möglichkeit nicht aus, aber Spiegelseelen 3. wird nicht existieren.

 

Ist Der Wandernde ein selbstständiger Roman oder wird es mehrere Teile davon geben?

Dora Papp: Der Wandernde ist ein selbstständiges Buch, in dem wir dem Stolpern eines neuheidnischen, Halbwikinger ungarischen Jungen folgen können, während er sein letztes Gymnasialjahr versucht. Auch hier wollte ich die Geschichte überflüssig nicht erweitern, wie bei Spiegelseelen. Ich habe eine bestimmende Periode des Lebens von Norbert Szepes (Aussprache: Sepesch) ausgehoben, aber man sollte die Charaktere gehen lassen können. Ich fühle, bei Der Wandernde war es besonders wichtig. Ich schließe nicht aus, dass er anders, in einer anderen Form, vielleicht als Nebencharakter wieder auftaucht, aber das ist seine Geschichte, die ich in einem runden, selbstständigen Roman schreiben wollte. 


Was für Romane hast du vor, in der Zukunft zu schreiben?

Dora Papp: Seitdem ich mir in den Kopf genommen habe, die Helena-Trilogie zu durcharbeiten, ist es mir immer klarer geworden, die Fantasy nicht gehen zu lassen, also, ich sollte davon noch schreiben. Doch gleichzeitig sehne ich mich sehr danach, an einer neuen ungarischen Jugendgeschichte zu arbeiten. Sowas wird es bestimmt noch geben. Ich habe akzeptiert, dass ich mich nicht so einschränken muss, es lohnt sich, mit etwas Neuem zu experimentieren, in mehreren Genren zu schöpfen. Ich möchte Neues zeigen. 


Schreibst du nur auf Ungarisch oder manchmal auch auf Fremdsprachen, um deine Sprachfähigkeiten zu üben?

Dora Papp: Das ist interessant, denn ich funktioniere auf solche komische Weise, dass die Dialoge in meinem Kopf auf Englisch ablaufen, auch wenn es um eine ungarische Geschichte, um ungarische Hauptfiguren geht: alles beginnt auf Englisch in mir. Natürlich schreibe ich auf Ungarisch, weil ich meine wunderbare Muttersprache liebe. In englischer Sprache habe ich schon mit kürzeren Texten versucht, ich mag aber viel lieber auf Ungarisch zu schreiben.


Was schlägst du denen vor, die Talent zum Schreiben besitzen und es maximal nutzen würden?

Dora Papp: Eine Menge zu lesen und zu schreiben! Sich eine Leserbasis zu finden, deren Aufbau nicht auf das Glück zu vertrauen. Für die Anbahnung des eigenen Wegs verantwortlich zu sein, keine Angst zu haben, mehrere Herausgeber aufzusuchen, falls man wagt, die eigene Werke auf sich zu nehmen. Im Zeitalter des Internets ist wirklich der Himmel das einzige Limit, man sollte nur kreativ sein! Um das Lesen beliebt zu machen stehen uns solche Mittel zur Verfügung, die für Jahrhunderte nirgendwo waren. Jetzt ist alles im Wandel, formt sich, neue Trends, Medien und Apps werden geboren. Aber immer noch lesen eine Menge Leute gerne und erzählen gerne auch Geschichten. 


Wer hat dich am meisten beeinflusst?

Dora Papp: Als ich kleine Teenie war, begann alles mit Rowling, dann kamen Tolkien und Neil Gaiman. Es lohnt sich, Gaimans Vorschläge anzunehmen, die sich mit dem Schreiben beschäftigen, bis heute bin ich süchtig nach all seinen Worten. Vor kurzem habe ich V.E. Schwab entdeckt, die äußerst sympathisch ist und sehr motivierend auf mich wirkt, ich glaube, hauptsächlich weil sie nur ein paar Jahre älter ist als ich und ich fühle, sie spricht und schreibt wirklich in meiner Sprache.

 

Falls es in der Zukunft ein Buchfestival organisiert wird, nimmst du als Autorin teil daran?

Dora Papp: Natürlich! Wie immer, habe ich mich sehr auf das Buchfestival und die Buchwoche dieses Jahres gefreut, aber leider, wie gewusst, mussten diese Veranstaltungen verschoben werden. Buchliebhaber sind durstig nach zwei-drei Buch-Events pro Jahr, an denen sie sich treffen können, sich die Neuigkeiten im Sonderangebot kaufen und die Bücher von den Autoren widmen lassen. Jetzt, da die Veranstaltungen vom April und Juni ausgefallen sind, ertrinken wir im Mangel von Erlebnissen mit Büchern. Die holen wir aber im September nach. Auch für die Herausgeber war der Frühling eine harte Periode, denn die Buchladen und die Veranstaltungen machen ja den größeren Anteil ihres Einkommens aus. Wir hoffen, dass es darüber nachgedacht wird, wie wichtig es ist, dass die lebende Literatur, die ungarische Buchkultur überlebt. 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Bücher und Weihnachten (Blog-Advent - Türchen 19)

Die urleiwandste Zeit meines Lebens 2.0 - Hospitationswoche 1 beim Österreich Institut Bp. (28. August bis 1. September 2023)

Mittsommernacht bei Ikea - Lithageschichte