Adventroman "Abenteuer im Schatten der Nordlichter", Kapitel 4

 



Den vierten Morgen in jener mythischen Welt passierte etwas bisher Außergewöhnliches: Valeria wurde von einer wilden Menschenhorde aufgeweckt, die in ihre Höhle einmarschierte. Schnell und vorsichtig nahm sie ihren Beutel zu sich, während sie mit Pfeil und Bogen, beziehungsweise mit ihrem Schwert einige der Krieger bekämpfte. Diesmal wollte sie keinen von ihnen töten, wie früher auf dem Kriegsfeld, sie hatte einfach vor, einige ein bisschen zu verletzen und auf diese Weise einzuschüchtern. Gesagt, getan. Danach lief sie samt ihren Sachen aus der Höhle heraus. Einige Krieger begannen, ihr zu folgen. Valerias Hobby war normalerweise definitiv nicht das Laufen. Sie überlegte schnell. Und zum Glück fiel ihr ein Plan ein. - FJORDI! HJELP!!! - rief sie im Gedanken. Sie musste nicht viel warten, das weiße Fjordpferd erschien bald galoppierend neben ihr. Valeria zögerte keine Sekunde: sie sprang auf seinen Rücken und ließ sich weit weg bringen. Fjordi trat mit seinen hinteren Peitschen diejenigen Krieger, die ihnen noch folgten, und so war der Weg für Valeria wirklich frei. Um sicher zu stellen, dass sie nicht mehr gefolgt wurde, schaute Valeria nach hinten. Keiner der Krieger wagte es, nach ihr und dem Pferd zu gehen. Valeria seufzte erleichtert auf, streichelte das Pferd, steckte ihren Kopf auf seinem Nacken und ließ sich vertrauend weiterbringen. - Hei, Fjordi. Hyggelig å se deg igjen… - flüsterte sie erfreut  zu ihm. Wie interessant, dass die zwei sich jetzt wieder treffen könnten, denn am vorigen Abend dachte Valeria genau darüber nach, ob sie das Pferd noch einmal besuchen könnte, und wenn ja, wie… Die Zeit löst wirklich alles, das konnte Valeria schon feststellen. 

Valeria und Fjordi galoppierten vom Morgen bis frühen Nachmittag durch beschneite Wiesen und neben Flussauen. Sie machten eine Pause, als sie zu irgendwelchen Gebirgen  gekommen waren. Einmal hier stieg Valeria vom Pferd runter und ließ sich von ihm führen. Sie erklommen gemeinsam einen kleineren Felsen und setzten sich dort oben für eine kurze Pause. Valeria nahm das Essen aus ihrem Beutel, das sie noch auf dem Wikinger-Markt gekauft hatte, und sie gab auch Fjordi einige Äpfel. Was ihre Portion betraf, versuchte Valeria, den Proviant so einzuteilen, dass davon ebenfalls für später übrig blieb, wer weiß denn, wann sie das nächste Mal die Möglichkeit haben wird, wieder was zu kaufen. Oder vielleicht bekäme sie Essen geschenkt, wie z.B. sie auch die Kleider und das Geld bekam? Sie hatte keine Ahnung, aber sie dachte danach, dass es sehr interessant wäre, es irgendwie herausfinden zu können.

Während der Pause dachte Valeria auch über die nächste Rune an der Liste, nämlich über Ansuz, nach. Ebenfalls an deren Bedeutung erinnerte sie sich haargenau: Ase, Gottheit, Vertrauen in das große Ganze und in höhere Mächte, Kommunikation, Inspiration, Macht des Geistes über die Materie, Zauberkraft, Magie, Weisheit (positiv), Missverständnisse, Täuschung, Eitelkeit (negativ). Valeria wandte sich wieder ans Brisingamen-Armband. Diesmal waren erneut die neun Welten zu sehen, und es gab auch einen Pfeil, der diesmal auf Asgard, also auf der Welt der Götter, zeigte. Fjordi schaute Valeria mit einem Blick voller Weisheit an. Als würde der Hengst ihr signalisieren, sie sollte sich keine Sorgen machen, er kenne den Weg. - Vel, kjære Fjordi, har du lyst til å ta en tur til Asgard? - fragte ihn Valeria im scherzhaften Ton. Ihr gefiel, dass dieses Pferd das einzige Wesen in dieser verrückten mythischen Welt war, mit dem sie wirklich jede beliebige Sprache sprechen durfte. Manche Tiere sind und waren schon immer intelligenter… Der Hengst nickte zahm auf Valerias Frage. Die Frau stieg sanft auf ihn herauf und streichelte ihn. - Så la oss gå. Ta meg med til Asgard, vær så snill. - bat sie flüsternd. Danach bereitete sie sich auf das Losgehen vor. Fjordi reagierte sofort auf ihre Bitte und galoppierte im leichten Tempo und sehr fröhlich los. 

Es war schon Abend, als sie neben dem Palast der Götter ankamen. Valeria stieg vom Hengst runter und bewunderte das imposante Gebäude, welches ihr so schien, als wäre es aus einem Mythologie-Buch herausgetreten. Valeria konsultierte wieder mit dem Brisingamen-Armband. Ihr wurden bekannte Figuren gezeigt, nämlich die Götter, die dort lebten. Aber keine weitere Erklärung. Sollte sie die Götter treffen, mit ihnen sprechen, vielleicht? Oder eventuell sich bei ihnen nach der Rune erkundigen? Überhaupt, wussten die Götter über die ganze Geschichte mit den verschwundenen Runen? Oder würden sie, wie gewohnt und typisch in der Mythologie, für alles die Schuld auf Loki schieben? Genau auf denjenigen Loki, auf den hinterlistigen Luftgott und Gestaltwandler, Vater des Wolfes Fenrir, der Göttin Hel und der Midgardschlange… Eben, war es tatsächlich seine Schuld? Hat Loki die Runen genommen und in zufälligen Ortschaften rund um die ganzen neun Welten versteckt? Bisher gab es nämlich keine Hinweise darauf, jedoch alles könnte hier passieren, daran hätte sich Valeria schon besser gewöhnt haben können. Wer weiß? Am Ende könnte es sich vielleicht genau gut ergeben lassen, dass tatsächlich Loki an alles Schuld war, auch an das Verschwinden der Runen… Mit jenen kreisenden Fragen und Gedanken im Kopf spazierte Valeria langsam zum Eingang des Götterpalasts.  Sie wechselte einen beruhigenden Blick mit Fjordi, der ihr versicherte, dass er auf sie draußen warten würde. 

Einmal am Eingang angekommen, öffnete Valeria vorsichtig die Tür. Diese machte keine Geräusche. Valeria spazierte leise hinein. Auf sie wartete ein langer Korridor. Alles schien weiß, wie Schnee oder Eis. Mucksmäuschenstill durchquerte Valeria den mysteriösen langen Korridor, der zu einem großen Saal führte. Dieser hatte keine Tür als Eingang, sondern nur ein Gewölbe. Valeria sammelte all ihren Mut und guckte hinein. Sie erkannte die Asengötter: Odin, Thor, Tyr, Frey, Freya, und die anderen, die im Saal saßen und über etwas diskutierten. Sie schienen sehr sehr irritiert zu sein. Valeria konnte wetten, dass es vielleicht Lokis Werk war. Aber so sicher wäre sie nicht. Sie entschloss sich, diesmal still zu bleiben und darauf zu warten, dass sie bemerkt wird. Gesagt, getan. 

Nach gefühlt einer halben Stunde bemerkte Freya sie. Die Göttin lud sie mit einer freundlichen Bewegung ein, dem Saal beizutreten. Valeria spazierte herein und wurde sehr gründlich von den anderen Göttern beobachtet. Freya begrüßte sie auf Altnordisch, gefolgt von den anderen. Valeria erwiderte die Begrüßung. Danach übernahm Odin das Wort und teilte ihr mit, dass sie alle wussten, warum sie von der Ferne zu ihnen gekommen war. Inzwischen legte Freya, die unter Anderem auch mit Magie assoziiert war,  ihre Hand auf Valerias Stirn und prophezeite ihr, sie würde all die Weisheit finden, die sie finden soll und auch ein warmes Feuer komme bald und ließe das Eis schmelzen. Valeria bedankte sich für Freyas Prophezeiung. Den ersten Teil konnte sie ganz einfach interpretieren, ganz sicher hatte dieser etwas mit den Runen zu tun, jedoch über den zweiten hatte sie gar keine Ahnung. Mal schauen…

Nach der Prophezeiung boten die Götter an, sie lehren Valeria alles, was sie wussten, damit es ihr später vielleicht während ihrer Reise nützlich wird. Sie akzeptierte. Von Odin und Freya lernte sie alte Weisheiten und Magie, unter Anderem das Seidr, Thor unterrichtete ihr Kampftechniken und schenkte ihr sogar eine Replika seines Mjölnirs. Frey führte sie in die Geheimnisse der Liebe ein, und so weiter und so fort. Valeria war sehr dankbar für die Lektionen und lernte gerne. Nach dem Lernen wurde sie zu einem Bankett eingeladen. Dort fragte sie die Götter, warum sie vor ihrem Eintritt so irritiert schienen. Odin erzählte ihr den Grund: nämlich ist Idun, die Göttin, die ihre Äpfel der Jugend hatte, zusammen mit den Äpfeln verschwunden, höchstwahrscheinlich wurde sie von Loki entführt. Valeria, die die originale Version des Mythos kannte, fragte verblüfft nach, ob sie versucht hatten, Loki dazu zu bringen, dass er seine Tat korrigiert. Die Götter antworteten, sie hatten alles versucht, Loki war aber unüberzeugbar und tat nichts. Sogar hatte er großen Spaß an dem Chaos, das er den Göttern verursacht hat. Valeria überlegte. Im originalen Mythos war das ein bisschen anders… Hier ist aber vielleicht alles auf dem Spieler oder der Spielerin basiert: er oder sie wird nämlich ein Teil, ein Element der Geschichte. Vielleicht, wenn sie den Göttern hilft, würde Valeria auch die Rune Ansuz finden. Geführt von einer höheren Macht, bot Valeria plötzlich ihre Hilfe an. Sie würde Idun und ihre Äpfel finden und zu Asgard zurückbringen. Die Götter waren einverstanden. Freya gab Valeria ihren Falkenfeder-Umhang. Alle Götter wünschten ihr viel Glück. Valeria bedankte sich, dann zog sie den Umhang an, ließ sich von ihm in eine Falke umwandeln, danach flog sie los. 

Sie ließ sich von ihren Kenntnissen über den originalen Mythos führen, also flog sie nach Jötunheim;  zum Reich der Riesen,  genauer gesagt zu Thiazis Befestigung. Dort ganz oben fand sie Idun und die Schachtel aus Eschenholz mit den Jugendäpfeln. Valeria wandelte sich in ihre menschliche Form um, beruhigend erzählte sie der Göttin, warum sie gekommen war. Aus irgendeinem Grund vertraute Idun vielmehr ihr als ihrem Entführer Loki. Valeria rief nach Fjordi, der zur Befestigung galoppierte. Zwar wurde Idun im originalen Mythos in eine Nuss transformiert und so zurückgebracht, Valeria wollte aber nicht ganz alles so machen, wie im Mythos. Sie war nicht Loki, sie würde also deshalb nicht alles so machen. Hier war alles ein bisschen anders. Zum Glück bemerkte Thiazi gar nichts. Valeria half Idun auf das Pferd, dann sprang sie auch hinauf und sie galoppierten los, zurück nach Asgard. Inzwischen passierte etwas Zauberhaftes: Fjordi bekam plötzlich zwei Flügeln und glitt hinauf in die Luft! Valeria lächelte und stimmte ihm zu: Fliegend war es bestimmt leichter, Asgard wieder zu erreichen!

Einmal zurück zum Palast, führte Valeria Idun zu den Göttern. Sie waren froh, sie wiederzusehen. Alle bedankten sich bei Valeria, die das ziemlich verlegen erwiderte. Idun gab allen einen Jugendapfel. Valeria bekam auch einen. Die Götter boten ihr an, die Nacht in einem der Zimmer des Palastes zu verbringen, um dann am folgenden Morgen wieder losfahren zu können. Valeria akzeptierte dankbar. Fjordi wurde in einem Stall behebergt. Vor dem Schlafengehen ging Valeria noch ein letztes Mal zu ihm und sie teilten sich den Apfel. 

Danach sagte ihm Valeria gute Nacht und ging zurück ins Palast, zu ihrem Zimmer. Einmal dort legte sie sich ins Bett. Urplötzlich fühlte sie etwas ganz Hartes unter ihrem Kissen. - Hva er det? - fragte sich Valeria überlegend. Sie schaute dann danach und verblüfft erkannte sie: Unter ihrem Kissen befand sich ein rundes Holzstück, samt Aufhänger. Darauf stand die Rune Ansuz! Sie nahm die Rune und verstaute sie gut in ihren Beutel. Danach schlief sie überglücklich ein. Sie war froh, dass sie Idun und den Göttern helfen durfte. Auch das Finden der vierten Rune bereitete ihr sehr viel Freude. Und dass sie mit Fjordi die weitere Abenteuer erleben konnte, das war das absolute Glück… Und was war jener Teil der Prophezeiung mit dem warmen Feuer, das bald kommen und das Eis schmelzen lassen würde? Valeria wusste es noch nicht. Trotzdem hatte sie das Gefühl, es könnte nur gut sein. Jetzt, als sie von den Göttern geschützt war, fühlte sie sich sicher in diesem Spiel… oder in dieser Welt, was auch immer das hier war. Sie spürte, ab jetzt wird hier alles besser. 




ÜBERSETZUNGEN ALLER NORWEGISCHEN SÄTZE UND WÖRTER IN DIESEM KAPITEL:

  • HJELP!!! = HILFE!!!
  • Hei, Fjordi. Hyggelig å se deg igjen… = Hallo, Fjordi. Schön, dich wiederzusehen...
  • Vel, kjære Fjordi, har du lyst til å ta en tur til Asgard? = Na, lieber Fjordi, möchtest du einen Ausflug nach Asgard machen?
  • Så la oss gå. Ta meg med til Asgard, vær så snill. = Also, los geht's. Bring mich bitte nach Asgard.
  • Hva er det? = Was ist das?




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